Die Richter als Anführer und Befreier Israels (Kapitel 3,5–16,31)

Der Richter Otniël

Die Israeliten lebten mitten unter den Kanaanitern, Hetitern, Amoritern, Perisitern, Hiwitern und Jebusitern. Sie vermischten sich mit diesen Völkern und dienten ihren Götzen. Sie taten, was dem Herrn missfiel, vergaßen ihn und verehrten den Gott Baal und die Göttin Aschera.

Da wurde der Herr zornig auf sein Volk und gab es in die Gewalt Kuschan-Rischatajims, des Königs von Nord-Mesopotamien. Acht Jahre lang wurde es von ihm unterdrückt.

Als die Israeliten zum Herrn um Hilfe schrien, schenkte er ihnen einen Befreier: Otniël, den Sohn von Kenas, den jüngeren Bruder von Kaleb. 10 Der Geist des Herrn kam über Otniël, und so wurde er zum Richter für das Volk Israel. Er führte das israelitische Heer in die Schlacht, und der Herr half ihm, Kuschan-Rischatajim, den König von Nord-Mesopotamien, zu besiegen.

11 Vierzig Jahre lang herrschte Frieden. Dann starb Otniël, der Sohn von Kenas, 12 und die Israeliten taten wieder, was dem Herrn missfiel. Darum ließ er Eglon, den König von Moab, zu einem mächtigen Feind Israels werden. 13 Eglon verbündete sich mit den Ammonitern und Amalekitern, führte Krieg gegen die Israeliten und besiegte sie. Er nahm die Palmenstadt Jericho ein 14 und unterwarf Israel achtzehn Jahre lang.

Die List des Richters Ehud

15 Die Israeliten schrien zum Herrn um Hilfe, und wieder gab er ihnen einen Befreier: Ehud, den Sohn von Gera aus dem Stamm Benjamin, einen Linkshänder. Ihn sandten die Israeliten zum Moabiterkönig Eglon, um den Tribut zu entrichten. 16 Ehud fertigte ein zweischneidiges Schwert an, das etwa 30 Zentimeter lang war, und schnallte es sich an der rechten Seite um. Mit der Waffe unter seinem Gewand versteckt, 17 brachte er den Tribut zu König Eglon, der ein sehr dicker Mann war. 18 Dann schickte er die Männer fort, die ihn als Lastträger begleitet hatten. 19-20 Auch er verließ den Palast und ging in Richtung Gilgal. Als er dort die Stelle erreichte, wo die Götterstatuen standen, kehrte er noch einmal zu Eglon zurück.

Der König saß gerade im kühlen Obergemach, das nur für ihn bestimmt war. Ehud trat ein und sagte zu ihm: »Ich habe eine geheime Botschaft für dich!« »Lasst uns allein!«, befahl der König seinen Dienern. Als sie hinausgegangen waren, sagte Ehud: »Die Botschaft, die ich für dich habe, ist von Gott!« Eglon stand auf. 21 Da packte Ehud mit der linken Hand das Schwert, das er an der rechten Seite trug, zog es hervor und stieß es Eglon in den Bauch. 22 Die Klinge drang so tief ein, dass das Fett den Griff umschloss und die Spitze zwischen den Beinen wieder herauskam. Ehud ließ das Schwert stecken 23 und trat in die Halle hinaus. Er schloss die Tür, sperrte sie zu[a] 24 und floh.

Bald darauf kamen Eglons Diener und merkten, dass der Raum verschlossen war. »Der König muss sicher gerade austreten«, sagten sie zueinander 25 und warteten eine Weile, doch die Tür ging nicht auf. Schließlich kam es ihnen merkwürdig vor. Sie holten den Schlüssel und öffneten das Obergemach. Dort fanden sie den König tot am Boden liegen.

26 Ehud aber war entkommen, während die Diener gewartet hatten. Er hatte bereits die Götterstatuen bei Gilgal hinter sich gelassen und floh weiter nach Seïra. 27 Dort im Gebirge Ephraim ließ er das Horn blasen, um die Israeliten zur Schlacht zu versammeln. Sie folgten ihm ins Jordantal. 28 »Mir nach!«, rief er. »Der Herr gibt euch den Sieg über die Moabiter!« Sie zogen mit Ehud hinab und besetzten die Jordanübergänge, um den Feinden den Fluchtweg abzuschneiden. 29 Dann kämpften sie gegen die Moabiter und töteten an die 10.000 gute, erfahrene Soldaten, keiner entkam.

30 So mussten sich die Moabiter der Macht der Israeliten beugen, und achtzig Jahre lang herrschte Frieden.

Schamgars Heldentat

31 Nach Ehud gab es einen weiteren Mann, der Israel vor seinen Feinden rettete: Schamgar, den Sohn von Anat. Er tötete 600 Philister, nur mit einem Stock bewaffnet, den man sonst zum Viehtreiben benutzte.

Die Richterin Debora und der Heerführer Barak

Als Ehud gestorben war, taten die Israeliten erneut, was dem Herrn missfiel. 2-3 Da ließ der Herr ihr Gebiet vom Kanaaniterkönig Jabin erobern; der regierte in Hazor und besaß 900 eiserne Streitwagen. Sein Heerführer hieß Sisera, er hatte sein Truppenlager in Haroschet-Gojim aufgeschlagen. Zwanzig Jahre lang quälte und unterdrückte Jabin die Israeliten. Da schrien sie zum Herrn um Hilfe.

Zu jener Zeit war die Prophetin Debora Israels Richterin. Sie war mit einem Mann namens Lappidot verheiratet und wohnte bei der nach ihr benannten Debora-Palme zwischen Rama und Bethel im Gebirge Ephraim. Dorthin kamen die Israeliten, um sich von ihr Recht sprechen zu lassen. Eines Tages ließ Debora Barak zu sich kommen, den Sohn von Abinoam aus Kedesch im Stammesgebiet von Naftali. Sie sagte zu ihm: »Der Herr, der Gott Israels, befiehlt dir: ›Rufe 10.000 Soldaten aus den Stämmen Naftali und Sebulon zusammen und zieh mit ihnen auf den Berg Tabor! Ich werde dafür sorgen, dass Sisera, Jabins Heerführer, mit seinen Wagen und seinem Heer zum Fluss Kischon kommt. Dort gebe ich ihn in deine Gewalt.‹«

Barak antwortete: »Ich werde nur gehen, wenn du mitkommst. Ohne dich unternehme ich nichts.« »Ich komme mit«, willigte Debora ein, »aber der Ruhm dieses Feldzugs wird nicht dir gehören, denn der Herr wird einer Frau den Sieg über Sisera schenken!«

Zusammen mit Barak machte sich Debora auf den Weg nach Kedesch. 10 Dort rief Barak die Stämme Sebulon und Naftali zusammen. 10.000 Mann folgten ihm auf den Berg Tabor, und Debora begleitete sie.

11 Zu jener Zeit schlug ein Keniter namens Heber seine Zelte bei dem großen Baum von Zaanannim in der Nähe von Kedesch auf. Die Keniter waren Nachkommen von Hobab, dem Schwager von Mose. Heber hatte sich von seiner Sippe getrennt und war allein weitergezogen.

12 Man meldete Sisera, dass Barak, der Sohn von Abinoam, ein Heer auf den Berg Tabor geführt hatte. 13 Da brach er von Haroschet-Gojim auf und zog mit den 900 eisernen Streitwagen und seinem ganzen Heer zum Fluss Kischon. 14 »Greif an«, forderte Debora Barak auf. »Der Herr wird euch vorangehen und euch noch heute den Sieg über Sisera geben!« Da stürmte Barak mit seinen 10.000 Soldaten vom Berg Tabor herab. 15 Als sie mit dem Schwert in der Hand angriffen, ließ der Herr das ganze Heer der Kanaaniter in Panik geraten. Sisera sprang vom Wagen und floh zu Fuß.

16 Baraks Männer verfolgten die fliehenden Truppen und ihre Wagen bis nach Haroschet-Gojim. Sie töteten alle Soldaten, nicht einer kam mit dem Leben davon.

Siseras Ende

17 Sisera floh zu Fuß zum Zelt von Jaël, der Frau des Keniters Heber. Denn zwischen Heber und Jabin, dem König von Hazor, herrschte Frieden. 18 Jaël trat aus dem Zelt, lief Sisera entgegen und rief: »Komm herein, mein Herr! Hier bist du sicher!« Da ging er in ihr Zelt und legte sich hin. Jaël deckte ihn zu.

19 »Gib mir bitte etwas Wasser«, sagte er, »ich habe Durst.« Jaël öffnete den Milchschlauch und ließ Sisera trinken. Dann deckte sie ihn wieder zu. 20 »Stell dich an den Eingang!«, bat er sie. »Wenn einer kommt und fragt, ob jemand im Zelt ist, sag Nein!«

21 Erschöpft fiel er in einen tiefen Schlaf. Jaël nahm einen Zeltpflock und einen Hammer, schlich sich an Sisera heran und schlug den Pflock durch seine Schläfen in den Boden. So starb er.

22 Kurz darauf traf Barak ein, der Sisera verfolgte. Jaël ging ihm entgegen und sagte: »Komm, ich will dir den Mann zeigen, den du suchst.« Barak trat in das Zelt und sah Sisera mit dem Zeltpflock in der Schläfe tot am Boden liegen.

23 An diesem Tag fügte Gott dem Kanaaniterkönig Jabin durch die Israeliten eine beschämende Niederlage zu. 24 Danach gewannen sie immer mehr Macht über Jabin, und schließlich vernichteten sie ihn ganz.

Deboras und Baraks Siegeslied

Am Tag des Sieges sangen Debora und Barak, der Sohn von Abinoam, dieses Lied:

Preist den Herrn für Israels Helden,
die sich als Führer bewährten,
und für das Volk, das ihnen in den Kampf folgte!
Hört her, ihr Könige, gebt acht, ihr Herrscher:
Für den Herrn will ich singen,
ja, singen und musizieren will ich
für den Herrn, den Gott Israels!

Herr, du stiegst herab vom Gebirge Seïr,
aus den Steppen Edoms kamst du herbei.
Da bebte die Erde, und Regen fiel vom Himmel,
das Wasser strömte aus den Wolken nieder.
Die Berge gerieten ins Wanken, als der Herr kam,
als der Gott Israels sich am Sinai zeigte.

Zur Zeit Schamgars, des Sohnes von Anat,
und in den Tagen Jaëls
waren die Straßen leer:
Wer auf Reisen war, ging auf gut versteckten Pfaden.
Felder und Dörfer lagen verwaist,
bis ich mich erhob, ja, bis ich, Debora, aufstand,
die Mutter Israels.
Mein Volk hatte sich neue Götter erwählt,
und dann brach der Feind durch die Tore herein.
Bei vierzigtausend Männern in Israel
fand sich kein Schild und kein Speer!

Doch nun bin ich stolz auf die Heerführer Israels
und auf alle Soldaten, die freiwillig kämpften.
Ja, preist den Herrn dafür,
10 denkt darüber nach,
die ihr auf weißen Eseln mit kostbaren Satteldecken reitet,
singt auch ihr, die ihr zu Fuß gehen müsst!
11 Hört, dort am Brunnen, wo man das Vieh tränkt,[b]
rühmen sie die mächtigen Taten des Herrn!
Sie erzählen, wie er seinem Volk geholfen hat.
Israel konnte die Berge wieder verlassen
und ist in seine Städte zurückgekehrt.

12 Auf, Debora, auf, sing ein Lied!
Steh auf, Barak, du Sohn Abinoams,
und führe deine Gefangenen fort!

13 Die letzten mutigen Soldaten
kamen herab vom Gebirge
und schlossen sich den Führern Israels an.
Das Volk des Herrn kam zu mir, bereit zum Kampf:
14 Die Ephraimiter rückten an aus Amaleks Land,
gefolgt von den Männern aus Benjamin.
Machirs Sippe kam mit ihren Oberhäuptern
und Sebulon mit seinen Truppenführern.
15 Auch Issachars Fürsten halfen Debora,
und seine Soldaten folgten Barak ins Tal.
Der Stamm Ruben aber blieb in seinem Gebiet
und beriet ohne Ende, ob er mitkommen sollte.

16 Warum nur bist du bei deinen Herden geblieben?
Um den Flöten der Hirten zu lauschen?
Doch der Stamm Ruben ließ sich nicht bewegen
und konnte zu keinem Entschluss kommen.
17 Die Sippen aus Gilead ruhten sich jenseits des Jordan aus.
Warum ging der Stamm Dan nicht von seinen Schiffen?
Die Soldaten von Asser saßen am Ufer des Meeres,
untätig hockten sie an seinen Buchten.
18 Sebulon schließlich wagte sein Leben,
zusammen mit Naftali zog er aufs Schlachtfeld,
ohne Furcht vor dem Tod.

19 Könige kamen und kämpften,
Kanaans Könige führten Krieg gegen Israel
bei Taanach am Fluss von Megiddo.
Doch sie brachten kein Silber als Beute zurück.
20 Vom Himmel her griffen die Sterne Sisera an,
von ihren Bahnen aus kämpften sie gegen ihn und sein Volk!
21 Der Fluss Kischon, der schon seit Urzeiten fließt,
riss die Feinde mit sich fort.
Sei stark, Debora, verlier nicht den Mut!
22 Die Pferde der Feinde galoppierten davon,
unter ihren Hufen dröhnte die Erde.

23 »Verflucht sei die Stadt Meros!«,
rief der Engel des Herrn.
Ja, Unheil soll ihre Bewohner treffen!
Denn sie kamen dem Herrn nicht zu Hilfe,
sie standen den Soldaten Israels nicht bei.

24 Preist Jaël, die Frau des Keniters Heber,
rühmt sie mehr als jede andere Frau!
Möge Gott sie reicher beschenken als alle Frauen,
die in Zelten zu Hause sind.
25 Als Sisera um Wasser bat, reichte sie Milch,
gab ihm Sahne im kostbaren Gefäß.
26 Doch dann fasste sie mit der Linken den Pflock
und mit der Rechten den wuchtigen Hammer.
Sie erschlug Sisera,
zertrümmerte seinen Schädel
und durchbohrte ihm die Schläfe.[c]
27 Er krümmte sich zu ihren Füßen,
geschlagen lag er da.
Er krümmte sich zu ihren Füßen und starb.
28 Zu Hause hielt seine Mutter Ausschau nach ihm.
Sie blickte aus dem Fenster und rief voller Sorge:
»Warum sehe ich seinen Streitwagen noch nicht?
Was hält seine Pferde bloß auf?«
29 Ihre weisen Beraterinnen beruhigten sie,
und auch sie selbst redete sich ein:
30 »Unser Volk macht gewiss reiche Beute und teilt sie nun auf:
ein oder zwei Mädchen für jeden Mann
und für Sisera lauter bunt gewebte Gewänder.
Ja, kostbare Kleider bringen sie mit
und zwei schöne Tücher
als Schmuck um meinen Hals[d]

31 Herr, mögen all deine Feinde sterben wie Sisera!
Doch wer dich liebt, gleicht der Sonne, die aufgeht und mit aller Kraft strahlt!

Nach Baraks Sieg über die Kanaaniter herrschte vierzig Jahre lang Frieden im Land.

Die Midianiter unterdrücken Israel

Die Israeliten taten, was dem Herrn missfiel. Da ließ er die Midianiter sieben Jahre lang über sie herrschen. Die Israeliten wurden von ihnen so schwer unterdrückt, dass sie sich in Felsklüften, in Höhlen und auf den Bergen verstecken mussten. Immer wenn sie ihre Felder in der Ebene bestellt hatten, kamen die Midianiter, die Amalekiter und andere Völker aus dem Osten, machten sich im Land breit und vernichteten die ganze Ernte bis nach Gaza am Mittelmeer. Sie ließen nichts übrig, wovon das Volk Israel sich ernähren konnte, und raubten auch alle Schafe, Ziegen, Rinder und Esel. Mit ihren Herden und Zelten fielen sie wie ein Heuschreckenschwarm über Israel her. Niemand konnte sie und ihre Kamele zählen. So drangen sie immer wieder ins Land ein und verwüsteten es.

6-7 Die Israeliten gerieten dadurch tief ins Elend. Als sie zum Herrn um Hilfe schrien, sandte er einen Propheten zu ihnen, der verkündete: »So spricht der Herr, der Gott Israels: Ich habe euch aus der Sklaverei in Ägypten befreit und hierhergebracht. Aus der Gewalt der Ägypter und aller anderen Unterdrücker habe ich euch gerettet. Ich vertrieb sie und gab euch ihr Land. 10 Damals sagte ich zu euch: Ich bin der Herr, euer Gott. Verehrt nicht die Götter der Amoriter, in deren Land ihr wohnt. – Aber ihr habt nicht auf mich gehört!«

Der Herr beruft Gideon

11 Der Engel des Herrn kam nach Ofra und setzte sich unter eine Eiche auf dem Grundstück, das Joasch gehörte, einem Mann aus der Sippe Abiëser. Joaschs Sohn Gideon drosch gerade Weizen in einer Kelter, um das Getreide vor den Midianitern in Sicherheit zu bringen. 12 Da erschien ihm der Engel des Herrn und sagte: »Der Herr steht dir bei, du starker Kämpfer!«

13 Gideon erwiderte: »Ach, mein Herr, wenn Gott uns wirklich beisteht, warum geht es uns dann so schlecht? Wo sind all die Wunder, von denen unsere Eltern uns erzählt haben? Sie sagen, der Herr habe uns aus Ägypten befreit. Aber was ist jetzt? Er hat uns verlassen und den Midianitern ausgeliefert!«

14 Der Herr sah Gideon an und sagte: »Ich gebe dir einen Auftrag: Geh und rette Israel aus der Gewalt der Midianiter! Du hast die Kraft dazu!« 15 »Aber wie soll ich Israel denn retten?«, rief Gideon. »Meine Sippe ist die kleinste in Manasse, und ich bin der Jüngste in unserer Familie.« 16 Der Herr versprach: »Ich stehe dir bei! Du wirst die Midianiter schlagen, als hättest du es nur mit einem einzigen Mann zu tun.« 17 Gideon entgegnete: »Wenn du wirklich zu mir stehst, dann erlaube mir eine Bitte: Gib mir doch ein Zeichen, dass du, der jetzt mit mir spricht, wirklich Gott bist. 18 Ich möchte dir eine Gabe holen. Bitte geh nicht weg, bis ich wiederkomme.« Der Herr antwortete: »Ich bleibe, bis du zurück bist.«

19 Gideon ging ins Haus, nahm gut zehn Kilogramm Mehl und backte ungesäuerte Brote. Danach schlachtete er einen jungen Ziegenbock und bereitete ihn zu; das Fleisch legte er in einen Korb, und die Brühe goss er in einen Topf. Nun brachte er das Essen hinaus zur Eiche und bot es seinem Gast an.

20 Doch der Engel Gottes sagte zu ihm: »Nimm das Fleisch und das Brot und leg es auf den Felsen hier! Die Brühe gieß aus!« Gideon gehorchte. 21 Der Engel des Herrn streckte seinen Stab aus und berührte damit das Fleisch und das Brot. Da kam Feuer aus dem Felsen und verzehrte das Essen. Zugleich verschwand der Engel des Herrn.

22 Nun hatte Gideon keinen Zweifel mehr, er rief: »Herr, mein Gott, ich muss sterben! Denn ich habe den Engel des Herrn von Angesicht zu Angesicht gesehen!« 23 Da sprach der Herr zu ihm: »Hab keine Angst! Du wirst nicht sterben. Mein Friede ist mit dir.«

24 Da baute Gideon an dieser Stelle einen Altar und gab ihm den Namen: »Der Herr ist Friede«. Er steht bis heute bei Ofra, der Stadt der Abiësriter.

Gideon zerstört den Altar Baals

25 In der folgenden Nacht sprach der Herr zu Gideon: »Nimm den siebenjährigen Stier deines Vaters, das zweitbeste Tier aus seiner Herde![e] Reiß den Altar Baals nieder, der deinem Vater gehört, und hau den Pfahl der Göttin Aschera um, der dort steht! 26 Dann bau für mich, den Herrn, deinen Gott, einen Altar an der höchsten Stelle eurer Bergfestung. Schichte das Holz des Pfahles darauf und bring den Stier als Brandopfer dar!«

27 Gideon nahm zehn seiner Knechte mit und führte aus, was der Herr ihm befohlen hatte. Er tat es jedoch nicht am Tag, sondern in der Nacht, weil er Angst vor der Familie seines Vaters und vor den Männern der Stadt hatte.

28 Am frühen Morgen entdeckten die Bewohner der Stadt, dass der Altar Baals niedergerissen und der Pfahl der Aschera umgehauen war. Sie sahen auch den neuen Altar, auf dem Gideon den Stier geopfert hatte. 29 »Wer hat das getan?«, fragten sie einander. Man forschte nach und fand schließlich heraus: »Gideon, der Sohn von Joasch, war es!«

30 Da forderten die Männer der Stadt von Joasch: »Liefere uns deinen Sohn aus! Er muss sterben, weil er den Altar Baals niedergerissen und den geweihten Pfahl umgehauen hat.« 31 Joasch antwortete den Versammelten: »Wollt ihr etwa Baal verteidigen? Wollt ihr ihn retten? Wer für Baal kämpft, wird noch in dieser Nacht getötet! Wenn Baal wirklich ein Gott ist, dann soll er sich doch selbst dafür rächen, dass sein Altar zerstört worden ist.«

32 Weil Gideon den Altar Baals niedergerissen hatte, nannte man ihn von da an Jerubbaal (»Baal soll sich an ihm rächen«).

Gideon bittet Gott um ein Zeichen

33 Alle Midianiter, Amalekiter und die Völker aus dem Osten versammelten sich, überquerten den Jordan und schlugen ihr Lager in der Jesreel-Ebene auf. 34 Da wurde Gideon vom Geist des Herrn ergriffen. Er blies das Horn und rief die Männer der Sippe Abiëser auf, ihm zu folgen. 35 Er sandte auch Boten zum ganzen Stamm Manasse und zu den Stämmen Asser, Sebulon und Naftali. Sie folgten dem Aufruf und schlossen sich Gideons Truppe an.

36 Gideon betete: »Bitte gib mir ein Zeichen, dass du Israel wirklich durch mich befreien willst, wie du es angekündigt hast. 37 Ich lege frisch geschorene Wolle auf den Dreschplatz. Lass doch morgen früh die Wolle vom Tau nass sein, den Boden ringsum aber trocken! Dann weiß ich, dass du Israel durch mich retten möchtest, wie du es gesagt hast.«

38 Was Gideon erbeten hatte, geschah. Als er am nächsten Morgen früh aufgestanden war, presste er den Tau aus der Wolle. Das Wasser füllte eine ganze Schale.

39 Da sagte Gideon zu Gott: »Sei nicht zornig, wenn ich dich noch einmal um etwas bitte! Ich möchte es nur noch dies eine Mal mit der Wolle versuchen. Lass sie trocken bleiben und den ganzen Boden nass vom Tau sein.« 40 In der folgenden Nacht erhörte Gott wieder sein Gebet: Die Wolle allein blieb trocken, und auf dem Boden ringsum lag Tau.

Gott wählt Gideons Soldaten aus

In aller Frühe führte Gideon, den man auch Jerubbaal nannte, sein Heer zur Quelle Harod. Dort schlugen sie ihr Lager auf. Nördlich von ihnen im Tal lagerten die Midianiter am Fuß des Hügels More.

Der Herr sprach zu Gideon: »Du hast zu viele Soldaten! Diesem großen Heer will ich nicht den Sieg über die Midianiter schenken! Sonst werden die Israeliten mir gegenüber prahlen: ›Wir haben uns aus eigener Kraft befreit!‹ Ruf deshalb im Lager aus, dass alle, die Angst haben, umkehren sollen!« So verkleinerte Gideon sein Heer.[f] 22.000 Mann machten kehrt, und 10.000 blieben zurück.

Doch der Herr sagte zu Gideon: »Es sind immer noch zu viele! Führ sie zur Quelle hinab. Ich will sie dort selbst noch einmal prüfen und dir dann sagen, wer mit dir ziehen soll und wer nicht.« Gideon ging mit den Männern an die Quelle. Der Herr befahl ihm: »Alle, die das Wasser auflecken wie ein Hund, stell auf die eine Seite! Auf die andere Seite lass alle gehen, die sich zum Trinken hingekniet haben.« 300 Mann führten das Wasser mit der Hand zum Mund und leckten es dann auf, alle anderen knieten zum Trinken nieder.[g]

Da sprach der Herr zu Gideon: »Durch die 300 Männer, die das Wasser aus der Hand getrunken haben, werde ich Israel befreien und die Midianiter in deine Gewalt geben! Alle anderen sollen nach Hause gehen.« Gideon entließ die Männer und behielt nur die 300 bei sich. Sie übernahmen die Vorräte und die Signalhörner der anderen. All dies geschah oberhalb der Talebene, in der die Midianiter lagerten.

Gideon schlägt die Midianiter in die Flucht

In der Nacht sprach der Herr zu Gideon: »Greif die Midianiter an! Ich gebe ihr Lager in deine Gewalt! 10 Wenn du aber Angst hast, dann geh vorher mit deinem Diener Pura hinunter 11 und hör dir an, was sie dort reden. Das wird dir Mut geben, sie anzugreifen!«

Da ging Gideon mit Pura zum Lager hinab und schlich sich an die bewaffneten Vorposten heran. 12 Die Midianiter, Amalekiter und andere Völker aus dem Osten hatten sich im Tal ausgebreitet wie ein Heuschreckenschwarm. Ihre Kamele waren so zahlreich wie der Sand am Meer.

13 Gideon kam ganz nahe an die feindlichen Soldaten heran und hörte, wie ein Mann gerade zu seinem Kameraden sagte: »Ich muss dir etwas erzählen! Ich habe geträumt, dass ein riesiges Gerstenbrot in unser Lager gerollt ist. Es hat ein Zelt getroffen und umgerissen. Alles flog durcheinander und stürzte zu Boden.« 14 Der andere erwiderte: »Das kann nur eins bedeuten: das Schwert des Israeliten Gideon, des Sohnes von Joasch! Gott wird ihm den Sieg über uns Midianiter und unser ganzes Lager schenken!«

15 Als Gideon den Traum und die Deutung gehört hatte, warf er sich nieder und betete Gott an. Dann kehrte er ins israelitische Lager zurück und rief: »Los! Der Herr gibt die Midianiter in eure Gewalt!«

16 Er teilte seine 300 Soldaten in drei Gruppen und gab jedem Mann ein Signalhorn und einen Krug mit einer Fackel darin. 17-18 »Stellt euch rings um das ganze Heerlager auf«, befahl er, »und achtet genau auf das, was ich tue! Wenn ich mit meinen Leuten zu den Wachposten komme, blasen wir die Hörner. Sobald ihr das hört, tut ihr das Gleiche und schreit laut: ›Wir kämpfen für den Herrn und für Gideon!‹«

19 Gideon erreichte mit seinen 100 Mann den Rand des Lagers, als die mittlere Nachtwache begann und die Posten gerade abgelöst worden waren. Da bliesen sie die Hörner und zerschlugen ihre Krüge. 20 Sofort taten die Männer der beiden anderen Abteilungen das Gleiche. In der rechten Hand hielten sie die Hörner, in der linken die Fackeln und riefen: »Wir kämpfen für den Herrn und für Gideon!« 21 Dabei blieben sie rings um das Heerlager stehen. Die feindlichen Soldaten liefen durcheinander, schrien und versuchten zu entkommen. 22 Während die 300 Israeliten die Hörner bliesen, ließ der Herr überall im Lager Kämpfe unter den Verbündeten ausbrechen. Schließlich floh das ganze Heer in Richtung Bet-Schitta, Zereda[h], Abel-Mehola und Tabbat.

23 Gideon rief die Männer der Stämme Naftali, Asser und Manasse zusammen, um die Midianiter zu verfolgen. 24 Er sandte auch Boten zum Stamm Ephraim im Gebirge und ließ den Männern dort ausrichten: »Kommt herab und stellt euch den Midianitern in den Weg! Besetzt die Wasserstellen bis nach Bet-Bara und die Übergänge des Jordan!«

Die Ephraimiter folgten der Anordnung, 25 sie nahmen zwei midianitische Fürsten, Oreb und Seeb, gefangen und töteten sie. Die Orte, wo dies geschah, nannten sie Oreb-Fels und Seeb-Kelter. Danach nahmen sie die Verfolgung der Midianiter wieder auf. Als sie den Jordan überquert hatten, trafen sie auf Gideon und übergaben ihm die abgeschlagenen Köpfe der beiden Fürsten.

Der Stamm Ephraim fühlt sich übergangen

Die Männer vom Stamm Ephraim machten Gideon heftige Vorwürfe: »Warum hast du uns nicht zu Hilfe gerufen, als du gegen die Midianiter in den Kampf gezogen bist? Wie konntest du uns das antun?« »Wart ihr nicht viel erfolgreicher als ich?«, erwiderte Gideon. »Ist eure Nachlese nicht besser als die ganze Ernte meiner Sippe? Zwei Fürsten der Midianiter hat Gott in eure Hand gegeben, Oreb und Seeb! Ihr habt weit mehr erreicht als ich!« Mit diesen Worten gelang es ihm, die Ephraimiter zu besänftigen.

Die Bewohner von Sukkot und Pnuël helfen Gideon nicht

Gideon hatte mit seinen 300 Mann den Jordan überquert. Immer noch verfolgten sie die Feinde und waren sehr erschöpft. Deshalb bat Gideon die Bewohner der nahen Stadt Sukkot: »Gebt doch meinen Soldaten etwas Brot! Sie sind übermüdet, denn wir verfolgen die midianitischen Könige Sebach und Zalmunna!« Doch die führenden Männer von Sukkot antworteten: »Warum sollten wir deiner Truppe Brot geben? Habt ihr Sebach und Zalmunna etwa schon gefasst?« Gideon erwiderte: »Sobald der Herr die beiden Könige in meine Gewalt gegeben hat, werde ich euch mit Dornen und Disteln auspeitschen lassen!«

Dann zog er mit seinen Soldaten nach Pnuël weiter und bat auch dort um Brot. Er erhielt die gleiche Antwort wie in Sukkot. »Wenn ich heil zurückkomme, reiße ich den Turm eurer Stadt nieder!«, drohte Gideon.

Gideon besiegt die Midianiter

10 Sebach und Zalmunna hatten mit ihren Truppen in Karkor Halt gemacht. Nur noch 15.000 Soldaten waren vom großen Heer aus dem Osten übrig geblieben, 120.000 waren gefallen. 11 Gideon folgte den Midianitern auf der Karawanenstraße östlich von Nobach und Jogboha. Dann griff er ihr Heerlager an, während sie sich noch in Sicherheit wähnten. 12 Die Feinde gerieten in Angst und Schrecken. Sebach und Zalmunna flohen, doch Gideon jagte ihnen nach und nahm sie gefangen.

13 Nach der Schlacht machte er sich auf den Rückweg. Als er den Pass von Heres hinabstieg, 14 traf er einen jungen Mann aus Sukkot. Gideon packte ihn und befahl ihm, die Namen der führenden Männer und Beamten der Stadt aufzuschreiben. Es waren 77. 15 Gideon ging zu ihnen und erklärte: »Hier sind Sebach und Zalmunna! Ihr habt mich ihretwegen verspottet und gesagt, ihr würdet meiner erschöpften Truppe kein Brot geben, solange wir die Könige nicht gefasst hätten.« 16 Er nahm die führenden Männer fest und ließ sie mit Dornen und Disteln auspeitschen. 17 Dann ging er nach Pnuël, tötete die Männer der Stadt und riss ihren Turm nieder.

18 Schließlich wandte sich Gideon an Sebach und Zalmunna; er fragte: »Wie sahen die Männer aus, die ihr am Berg Tabor umgebracht habt?« »Es waren Männer wie du«, antworteten sie, »jeder sah aus wie ein Königssohn.« 19 Da rief Gideon: »Sie waren meine Brüder, die Söhne meiner Mutter! Ich schwöre euch beim Herrn: Wenn ihr sie am Leben gelassen hättet, würde ich euch nicht töten!«

20 Dann befahl er seinem ältesten Sohn Jeter: »Steh auf und stich sie nieder!« Doch Jeter zögerte, sein Schwert zu ziehen, denn er war noch jung und hatte Angst. 21 Da sagten Sebach und Zalmunna zu Gideon: »Töte du uns! Dazu braucht es einen Mann!« Gideon stand auf und erstach die beiden. Die Halbmonde, die als Amulette an den Hälsen ihrer Kamele hingen, nahm er mit.

Gideon verführt Israel zum Götzendienst

22 Die Israeliten kamen zu Gideon und sagten: »Du hast uns von den Midianitern befreit! Du sollst über uns herrschen und nach dir dein Sohn und dein Enkel!«

23 Er entgegnete: »Ich will nicht über euch herrschen, und mein Sohn darf es auch nicht tun. Der Herr allein soll euch regieren. 24 Nur eine Bitte habe ich an euch«, fügte er hinzu, »gebt mir die Ringe, die ihr erbeutet habt!« Ihre Feinde hatten nämlich goldene Ringe getragen, weil sie Ismaeliter waren.

25 »Das tun wir gern!«, antworteten die Israeliten. Sie breiteten einen Mantel aus und warfen alle erbeuteten Ringe darauf. 26 Das Gold wog insgesamt etwa 20 Kilogramm. Außerdem hatten die Israeliten Halbmonde, Ohrgehänge und königliche Purpurgewänder erbeutet, dazu den kostbaren Halsschmuck der Kamele.

27 Gideon fertigte aus dem Gold ein Gottesbild[i] an und stellte es in seiner Heimatstadt Ofra auf. Es wurde ihm und seiner Familie zum Verhängnis. Ganz Israel betete das Bild an und brach damit dem Herrn die Treue.

28 Die Midianiter hatten eine schwere Niederlage erlitten, nun forderten sie die Israeliten nicht mehr heraus. Vierzig Jahre, solange Gideon noch lebte, herrschte Frieden im Land.

29 Gideon[j], der Sohn von Joasch, wohnte weiterhin in Ofra. 30 Er hatte viele Frauen und siebzig Söhne. 31 Eine seiner Nebenfrauen wohnte in Sichem. Sie brachte einen Sohn zur Welt, den er Abimelech nannte. 32 Gideon starb in hohem Alter und wurde neben seinem Vater Joasch in Ofra begraben, der Stadt der Abiësriter.

33 Sobald Gideon nicht mehr lebte, wandten sich die Israeliten schon wieder den Götzen zu. Sie verehrten Baal-Berit 34 und vergaßen den Herrn, ihren Gott, der sie aus der Gewalt ihrer Feinde ringsum befreit hatte. 35 Auch der Familie Gideons erwiesen die Israeliten keinen Dank für all das Gute, das er für sie getan hatte.

Abimelech wird König

Eines Tages ging Gideons Sohn Abimelech nach Sichem zu den Brüdern seiner Mutter und ihren anderen Verwandten. Er bat sie: »Fragt die Leute von Sichem, ob sie lieber von den siebzig Söhnen Gideons regiert werden möchten oder von einem einzigen Mann. Erinnert sie daran, dass ich mit euch verwandt bin.« Die Brüder seiner Mutter erzählten allen Einwohnern von Sichem, was Abimelech ihnen aufgetragen hatte. Die Sichemiter dachten: »Er ist einer von uns«, und entschieden sich für ihn. Sie gaben ihm 70 Silberstücke aus dem Tempelschatz des Götzen Baal-Berit.

Mit dem Geld heuerte Abimelech eine Bande gewissenloser Männer an und zog mit ihnen nach Ofra, wo die Familie seines Vaters lebte. Dort ermordete er seine eigenen Brüder, die siebzig Söhne von Gideon. Er tötete sie alle auf ein und demselben Felsblock. Nur Jotam, Gideons jüngster Sohn, blieb am Leben, weil er sich versteckt hatte. Danach versammelten sich alle Einwohner von Sichem und die Bewohner der Festung bei dem Baum, der als Denkmal diente. Dort ernannten sie Abimelech zum König.

Jotam verflucht Abimelech und die Einwohner von Sichem

Als Jotam davon erfuhr, stieg er auf den Gipfel des Berges Garizim und rief mit lauter Stimme: »Hört mich an, Einwohner von Sichem, dann wird Gott auch auf euch hören! Einst beschlossen die Bäume, sich einen König zu wählen. Sie baten den Ölbaum: ›Sei unser König!‹ Aber der Ölbaum lehnte ab: ›Soll ich etwa mein Öl aufgeben, das die Götter und die Menschen so sehr an mir schätzen, nur um über den anderen Bäumen zu thronen?‹ 10 Da wandten die Bäume sich an den Feigenbaum: ›Komm du und werde unser König!‹ 11 Der Feigenbaum entgegnete: ›Soll ich aufhören, süße und herrliche Früchte zu tragen, nur um von nun an über euch zu herrschen?‹ 12 Als Nächstes forderten die Bäume den Weinstock auf, ihr König zu werden. 13 Doch der Weinstock sagte nur: ›Dann könnte ich ja keinen Most mehr geben, der die Götter und die Menschen erfreut! Das kommt nicht in Frage!‹ 14 Schließlich baten die Bäume das Dorngestrüpp: ›Sei du unser König!‹ 15 Das Dorngestrüpp fragte sie: ›Wollt ihr wirklich, dass ich über euch regiere? Dann kommt und vertraut euch mir an, stellt euch in meinen Schatten! Sonst wird aus meinen Dornen ein Feuer hervorbrechen, das sogar die Zedern auf dem Libanon verbrennt!‹

16 Sagt mir«, fuhr Jotam fort, »war es etwa gut und richtig, dass ihr Abimelech zum König gemacht habt? Habt ihr Gideon und seiner Familie damit einen Dienst getan? Habt ihr ihm den Dank erwiesen, den er verdient hat? 17 Mein Vater hat für euch gekämpft und sein Leben aufs Spiel gesetzt, um euch von den Midianitern zu befreien! 18 Aber ihr seid heute über seine Familie hergefallen. Ihr habt seine Söhne auf einem Felsblock abgeschlachtet, siebzig Mann! Abimelech, den Sohn seiner Sklavin, habt ihr zum König von Sichem gemacht, weil er mit euch verwandt ist. 19 Wenn es wirklich gut und richtig war, was ihr Gideon und seiner Familie angetan habt, dann wünsche ich euch viel Freude mit Abimelech, und ihm mit euch! 20 Wenn es aber ein Unrecht war, dann soll Feuer von Abimelech ausgehen und euch verzehren, ihr Einwohner von Sichem und ihr Bewohner der Festung. Und danach soll das Feuer von euch auf Abimelech übergreifen und auch ihn vernichten!«

21 Nachdem Jotam das gerufen hatte, floh er aus Angst vor seinem Bruder Abimelech nach Beer und wohnte dort.

Die Sichemiter lehnen sich gegen Abimelech auf

22 Abimelech herrschte drei Jahre über Israel. 23 Dann schickte Gott einen bösen Geist, der dafür sorgte, dass es zwischen Abimelech und den Sichemitern zum Bruch kam und sie sich von nun an gegen ihn auflehnten. 24 Denn er sollte bestraft werden für das Verbrechen an seinen eigenen Brüdern, den siebzig Söhnen von Gideon. Auch die Einwohner von Sichem, die ihn zu diesen Morden ermutigt hatten, mussten jetzt dafür büßen.

25 Bei den Gebirgspässen legten sich die Sichemiter auf die Lauer und raubten jeden aus, der vorüberkam. Das wurde Abimelech berichtet.

26 Zu dieser Zeit kam Gaal, der Sohn von Ebed, mit seinen Brüdern nach Sichem und gewann das Vertrauen der Menschen dort. 27 Gemeinsam zogen sie auf die Felder hinaus, hielten Lese in den Weinbergen und kelterten die Trauben. Sie feierten ein rauschendes Erntefest im Tempel ihres Gottes, aßen, tranken und verfluchten Abimelech. 28 Gaal rief: »Wer ist denn dieser Abimelech schon? Warum sollen wir Sichemiter ihm dienen, diesem Sohn von Gideon? Meint er etwa, wir würden uns Sebul unterwerfen, den er uns als Aufseher vorgesetzt hat? Was glaubt er eigentlich, wer wir sind? Gehorcht lieber den Männern aus der Sippe von Hamor, der diese Stadt gegründet hat! 29 Wenn ich hier das Sagen hätte, würde ich Abimelech beseitigen. Ja, Abimelech, sammle deine Truppen und stell dich zum Kampf!«

Abimelech kämpft gegen Sichem

30 Als Sebul, der führende Mann von Sichem, hörte, was Gaal gesagt hatte, packte ihn der Zorn. 31 Er sandte heimlich Boten zu Abimelech und ließ ihm ausrichten: »Gaal, der Sohn von Ebed, ist mit seinen Brüdern nach Sichem gekommen und wiegelt die ganze Stadt gegen dich auf! 32 Bring deine Truppen im Schutz der Dunkelheit hierher. Haltet euch bis zum Morgen in der Umgebung versteckt! 33 Bei Sonnenaufgang greift an! Wenn Gaal dir dann mit seinen Männern entgegenzieht, kannst du mit ihm tun, was du willst.« 34 Abimelech brach mit seinem Heer in der Nacht auf. Er teilte es in vier Gruppen ein, die sich an verschiedenen Stellen um Sichem in den Hinterhalt legten.

35 Als Gaal am Morgen ins Stadttor trat, kamen Abimelech und seine Soldaten aus ihren Verstecken. 36 Gaal entdeckte sie und sagte zu Sebul: »Siehst du das? Da steigen doch Truppen von den Bergen herab!« Sebul entgegnete: »Was du für Männer hältst, sind nur Schatten auf den Bergen.« 37 Doch Gaal blieb dabei: »Nein, es sind Truppen, die vom Garizim[k] herunterkommen! Und dort nähert sich eine Abteilung auf der Straße zum Orakelbaum!« 38 Da sagte Sebul zu ihm: »Du hast den Mund zu voll genommen mit deinen Sprüchen. ›Wer ist schon Abimelech? Warum sollen wir ihm dienen?‹, hast du gesagt. Dort kommen die Leute, die du verspottet hast. Nun geh und kämpf mit ihnen!«

39 Da rückte Gaal mit den Männern von Sichem aus und führte sie in den Kampf gegen Abimelech. 40 Der aber trieb sie zurück in die Stadt. Viele kamen bei der Schlacht ums Leben, bis ans Tor war alles mit Leichen übersät. 41 Dann machte Abimelech kehrt und zog mit seinen Soldaten nach Aruma. Sebul jagte Gaal und seine Brüder noch am selben Tag aus der Stadt.

42 Am nächsten Morgen wollten die Einwohner von Sichem aufs Feld gehen. Als Abimelech davon erfuhr, 43-44 teilte er sein Heer in drei Verbände auf, die sich wieder rings um Sichem in den Hinterhalt legten. Er wartete, bis er die Menschen aus der Stadt kommen sah. Dann brach er mit seiner Abteilung aus dem Versteck hervor und versperrte das Stadttor. Die beiden anderen Gruppen fielen über die Leute auf dem Feld her und töteten sie alle. 45 Danach griff Abimelech die Stadt an. Den ganzen Tag dauerten die Kämpfe, schließlich nahm er Sichem ein und brachte alle Einwohner um. Er zerstörte die Stadt und streute als Zeichen ihrer endgültigen Vernichtung Salz auf die Trümmer.

46 Als die Bewohner der Festung das sahen, verschanzten sie sich im Kellergewölbe unter dem Tempel des Götzen Baal-Berit. 47 Das wurde Abimelech gemeldet. 48 Da stieg er mit seinen Männern auf den Berg Zalmon, hieb mit einer Axt von einem Baum einen großen Ast ab und legte ihn sich auf die Schulter. »Schnell!«, befahl er. »Macht es wie ich!« 49 Die Männer schlugen sich jeder einen Ast ab und kehrten damit zur Festung zurück. Sie warfen das Holz auf die Decke des Gewölbes, in das sich die Bewohner der Festung geflüchtet hatten, und zündeten es an. Alle Menschen im Gewölbe kamen ums Leben, etwa tausend Männer und Frauen.

Abimelechs Tod

50 Von dort zog Abimelech nach Tebez. Er belagerte die Stadt und eroberte sie. 51 Mitten in Tebez aber stand eine starke Festung. Dorthin flohen alle Bewohner, Männer und Frauen. Sie verriegelten die Tore und stiegen aufs Dach.

52 Abimelech kämpfte sich an die Festung heran und versuchte, das Tor in Brand zu stecken. 53 Da warf ihm eine Frau von oben einen Mühlstein auf den Kopf und zerschmetterte ihm den Schädel. 54 Abimelech rief seinen jungen Waffenträger zu sich und befahl ihm: »Zieh dein Schwert und töte mich! Sonst heißt es: ›Eine Frau hat ihn umgebracht.‹« Da erstach ihn der junge Mann. 55 Als die Soldaten sahen, dass Abimelech tot war, gingen sie nach Hause.

56 So strafte Gott Abimelech dafür, dass er seine siebzig Brüder ermordet und seinem Vater ein solches Unrecht angetan hatte. Abimelechs eigene Bosheit hatte ihn schließlich eingeholt! 57 Auch die Sichemiter mussten für ihr Verbrechen büßen: Gott ließ den Fluch wahr werden, den Gideons Sohn Jotam über sie ausgesprochen hatte.

Die Richter Tola und Jaïr

10 Nach Abimelechs Tod befreite Tola, der Sohn von Puwa, Israel von seinen Feinden. Er war ein Nachkomme von Dodo aus dem Stamm Issachar und wohnte in der Stadt Schamir im Gebirge Ephraim. Dreiundzwanzig Jahre war er Richter in Israel. Dann starb er und wurde in Schamir begraben.

Nach ihm führte Jaïr, ein Mann aus Gilead, Israel zweiundzwanzig Jahre lang. Er hatte dreißig Söhne, die dreißig Esel besaßen und denen dreißig Ortschaften im Gebiet von Gilead gehörten. Noch heute nennt man diese Ortschaften die »Dörfer Jaïrs«. Als Jaïr gestorben war, begrub man ihn in Kamon.

Israel wendet sich wieder vom Herrn ab

Nach Jaïrs Tod taten die Israeliten wieder, was dem Herrn missfiel. Sie verehrten Baal und Astarte, ebenso die Götter der Syrer und Sidonier, der Moabiter, Ammoniter und Philister. Vom Herrn wollten sie nichts wissen und dienten ihm nicht mehr. Da wurde er zornig und lieferte sie den Philistern und Ammonitern aus. Noch im selben Jahr eroberten die Ammoniter das Gebiet der Israeliten in Gilead östlich des Jordan, wo früher die Amoriter gelebt hatten. Achtzehn Jahre lang unterdrückten und verfolgten sie die Israeliten. Schließlich überquerten sie den Jordan und griffen auch noch die Stämme Juda, Benjamin und Ephraim an.

So gerieten die Israeliten in große Not. 10 Sie schrien zum Herrn und bekannten: »Wir haben gegen dich gesündigt! Wir haben dich verlassen und anderen Göttern gedient!« 11 Der Herr antwortete ihnen: »Von so vielen Feinden habe ich euch schon befreit: von den Ägyptern, den Amoritern, den Ammonitern und den Philistern. 12 Ich habe euch auch geholfen, als die Sidonier, die Amalekiter und die Maoniter[l] euch aus eurem Land verdrängen wollten und ihr zu mir um Hilfe rieft. 13 Trotzdem habt ihr mir immer wieder den Rücken gekehrt und andere Götter verehrt! Darum werde ich euch jetzt nicht mehr helfen! 14 Warum fleht ihr nicht die Götter an, die ihr euch selbst ausgesucht habt? Sollen sie euch doch retten aus eurer Not!«

15 Aber die Israeliten gaben nicht auf; sie beteten zum Herrn: »Wir sind schuldig! Du kannst mit uns tun, was du für richtig hältst. Nur rette uns doch heute vor unseren Feinden!« 16 Sie beseitigten die fremden Götter und dienten wieder dem Herrn. Da konnte er ihr Elend nicht länger ertragen.

Footnotes

  1. 3,23 Die Verse 22 und 23 sind nicht sicher zu deuten.
  2. 5,11 Der hebräische Text ist nicht sicher zu deuten.
  3. 5,26 Vgl. Richter 4,17‒21.
  4. 5,30 Oder: für die erbeuteten Frauen.
  5. 6,25 Dieser zweitgeborene Stier war der wertvollste, nachdem der erste geopfert worden war. Vgl. 2. Mose 13,11‒16. Vgl. »Erstgeborener« in den Sacherklärungen.
  6. 7,3 Dieser Sinn ergibt sich, wenn der hebräische Text etwas geändert wird. Wörtlich heißt es: »Wer sich fürchtet und Angst hat, soll umkehren und sich vom Gebirge Gilead abwenden.« – Das Gebirge Gilead liegt weit entfernt auf der anderen Seite des Jordan.
  7. 7,6 Der hebräische Text ist nicht sicher zu deuten. Möglicherweise ist ein Versteil versehentlich an die falsche Stelle geraten, so dass es ursprünglich geheißen hätte: »300 Mann leckten das Wasser auf (wie Hunde), alle anderen knieten zum Trinken nieder und führten das Wasser mit der Hand zum Mund.«
  8. 7,22 So nach einigen hebräischen Handschriften und 1. Könige 11,26. Der hebräische Text lautet: Zerera.
  9. 8,27 Was genau Gideon herstellte, ist unklar. Das hebräische Wort bezeichnet sonst den Schurz des Hohenpriesters.
  10. 8,29 Im hebräischen Text wird Gideon von nun an meist Jerubbaal genannt. Vgl. Kapitel 6,32.
  11. 9,37 Wörtlich: Nabel des Landes. – Gemeint ist ein erhöhter oder zentraler Ort, hier vermutlich der heilige Berg Garizim.
  12. 10,12 Gemeint sind wohl die Midianiter (so heißt es in der griechischen Übersetzung).